Arbeiten ohne Hierarchien als agiles Organisationsmodell
Die Entscheidungsketten in Unternehmen sind seit über hundert Jahren hierarchisch. Ober sitzt ein Häuptling und überwacht, delegiert und lenkt pyramidenförmig hinab. In der Regel sieht das so aus: Geschäftsführer*in, Abteilungsleiter*in, Teamleiter*in und Mitarbeiter*in. Je tiefer man in dieser oft Nahrungskette genannten Hierarchie steht, desto weniger Einfluss und Entscheidungskraft hat man. Aber dass eine Unternehmensstruktur auch ganz anders aussehen kann, zeigt die Holokratie. Holokratie ist eine Organisationsstruktur, die auf jegliche Hierarchien verzichtet und auf Selbstorganisation setzt. Aber ist das gut oder schlecht?
Auf den ersten Blick hört sich das irgendwie nach Chaos an. Arbeiten ohne Chef, keine vorgegebenen Entscheidungen oder sogar noch schlimmer kann die Erkenntnis sein: „Ich soll jetzt Dinge, die zu meinem Arbeitsbereich gehören, selber entscheiden?“
So funktioniert Holokratie
In der Holokratie werden die Pyramiden in der Hierarchie von Kreisen abgelöst. Die Zuständigkeiten der Kreise sind dabei klar geregelt. Diese sind vergleichbar mit Unternehmensbereichen, also zum Beispiel Marketing, IT, Finanzen etc. Unterkreise stellen Spezialisierungen innerhalb eines Kreises dar. Das kleinste Element im Holokratie-Modell ist die Rolle.
Eine Rolle hat bestimmte Verantwortlichkeiten und Aufgaben, zum Beispiel Social Media Marketing, und ist zu anderen Rollen klar abgegrenzt. Innerhalb des durch die Rolle vorgegebenen Rahmens kann man die eigene Arbeit so gestalten, wie man es für richtig hält. Jede Rolle hat in ihrem Verantwortungsbereich eine Autorität, die um Erlaubnis gefragt werden muss.
Die Mitarbeitenden, die sich innerhalb eines Kreises bewegen, nehmen unterschiedliche Rollen ein, die unabhängig von einer Person sind. Das steht im Gegensatz zum hierarchischen Modell, wo alle ihren festen Platz im Organigramm haben.
Wie die Mitarbeitenden eines Kreises die gesteckten Ziele erreichen, legen sie selbst fest und Meetings- und Entscheidungsprozesse innerhalb von Kreisen laufen nach definierten Vorgaben ab. Holokratie ist also nicht gleichbedeutend mit Büro-Chaos.
Vier-Säulen-Modell
Vor allem Unternehmen aus der Digitalbranche müssen heute flexibel und schnell auf Änderungen am Markt reagieren. Das lässt sich mit traditionellen hierarchischen Strukturen nur schwer erreichen. Holokratie hingegen verspricht ein dynamisches Reagieren in selbstorganisierten Teams. Sie ruht auf vier Säulen:
1. Doppelte Verbindung
Jede autonome Einheit muss selbstverständlich mit den anderen Einheiten kommunizieren. Hierzu wird eine oder mehrere Personen aus dem Kreis bestimmt, die Kommunikation zu den jeweiligen anderen Kreisen zu übernehmen. Diese teilen Informationen aus ihrem Kreis und vertreten dessen Interessen im Nachbarkreis. So können Kreise nicht aneinander vorbei arbeiten.
2. Rollen statt Personen
Die Holokratie fußt auf einer Trennung zwischen Person und Rolle. Man ist also beispielsweise nicht „Content Marketing Manager“, sondern einfach „Angestellter“ mit beispielsweise der Funktion „Content-Marketing-Strategie“.
3. Integrative Entscheidungsfindung
Bedeutende Steuerungsentscheidungen in den Kreisen fallen per integrativer Entscheidungsfindung, beispielsweise im Konsent-Verfahren.
4. Steuerungstreffen und operativen Treffen
Operative Treffen finden auf Unternehmensebene statt, um die Aktivitäten des Tagesgeschäfts zu regeln. Anders ist das bei den Steuerungstreffen: Hier wird über Strategien und Ideen nachgedacht und über die Zusammenarbeit im Kreis entschieden.
Fazit zur Holokratie
Auch in der Holokratie gibt es eine Art Hierarchie und sehr präzise Regeln. Diese sind notwendig, um die Ziele des Unternehmens zu erreichen. Holokratie garantiert mehr Freiheit für den einzelnen Angestellten und minimiert so den persönlichen Frust. Sie verspricht bessere Skalierbarkeit und mehr Agilität. Neue Organisationsmodelle sind zwingend notwendig, um dem Zeitgeist zu entsprechen. In unserer Gesellschaft ist kein Platz mehr für Platzhirsche und Narzisst*innen. Nur ein kollektives Schwarmwissen ohne Hierarchien ermöglicht eine zukunftsorientierte Entwicklung der Arbeitswelt und damit auch der Gesellschaft. Ob alle Arbeitnehmer*innen dies in einer hierarchisch geprägten Welt umsetzen wollen oder können, bleibt natürlich offen.
Pingback: Lean Management einfach erklärt von Sven | LEARNING DIGITAL Blog on 17. März 2023
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