Wenn aus Produkten Dienstleistungen werden
Servitization (oder auch Servitisierung) ist eine Wortneuschöpfung. Für manche ein Zungenbrecher, für viele in aller Munde. Das im Wort enthaltene „Service“ lässt es schon vermuten: Bei dieser Geschäftsmodellinnovation geht es darum, als Unternehmen zusätzlich zum bisherigen Angebotsportfolio auch Dienstleistungen anzubieten. Diese Entwicklung spiegelt den allgemeinen Trend in Richtung einer Dienstleistungsgesellschaft wider. Unternehmen wandeln sich dabei immer mehr vom reinen Produzenten zum Gesamtlösungsanbieter. Aber was sind die Gründe dafür? Und wird dieser Trend auch fortbestehen? Wir gehen diesen und anderen relevanten Fragen in diesem Artikel nach.
Let’s get digital
Eines kann schon mal vorweggesagtwerden: Bei Servitization handelt es sich um einen ökonomischen Paradigmenwechsel. Aber was hat diese Entwicklung beflügelt? Die Antwort ist – wie so oft – die Digitalisierung. Sie ließ und lässt die Nachfrage nach serviceorientierten Angeboten immer mehr steigen. Carsharing, Cloud-Services oder Smart-Home-Geräte haben gezeigt: Reine Produkte haben immer mehr ausgedient. Kund*innen wollen heute mehr. Sie erwarten, dass das jeweilige Produkt um einen digitalen Service-Aspekt ergänzt wird. So entstehen ständig neue Geschäftsmodelle, die etablierte Produkte vom Markt verdrängen. Und dieser Prozess betrifft bei Weitem nicht nur die IT-Branche, sondern erfasst fast jeden Sektor – von der Automobilindustrie bis zum Bohrmaschinenhersteller. Apropos „Bohrmaschine“: Auch im Endkundengeschäft ist der Trend seit geraumer Zeit angekommen. So bieten viele Baumärkte heute schwere oder teure Werkzeuge nicht nur zum Verkauf, sondern verleihen sie. Kund*innen bezahlen also in dem Fall nicht für das Produkt an sich, sondern für die Leistung, die dieses Produkt bietet.
Diese Umstellung hin zu einem Servitization-Geschäftsmodell ist für viele Unternehmen der einzige Weg sich abzuheben und auf längere Sicht zu überleben. Der Grund: Die Transparenz in der digitalisierten Geschäftswelt macht es den Kund*innen heute sehr einfach, sich anderswo hinzuwenden. Bekommen sie jedoch bei einem Unternehmen zusätzliche Dienstleistungen, steigt ihre Loyalität. Auf der Unternehmensseite ist also ein technisch gutes Produkt allein längst nicht mehr ausreichend. Ein ähnliches Produkt kann von anderen zu gleichen Konditionen produziert werden und Kund*innen können es mehr oder weniger überall einkaufen.
Alles neu?
Obwohl die Digitalisierung dem ganzen einen enormen Schub verliehen hat, so ist der Trend zur Service-Gesellschaft nicht komplett neu. Beispiele für Servitization gibt es bereits seit mehr als 100 Jahren. Das Thema hat aber seit den 1970er-Jahren im Zuge der Globalisierung schnell an Bedeutung gewonnen. Der Grund: Unternehmen aus Hochlohnländern wie Deutschland haben nach einem Mittel gesucht, um sich gegen die Konkurrenz aus Niedriglohnländern zu schützen. Die Digitalisierung hat dann den Prozess derart beschleunigt, dass – wie bereits eingangs erwähnt – von einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel geredet werden kann. Durch Vernetzung und Datenverarbeitung, die auf Algorithmen basiert, werden ganz neue Potenziale freigesetzt. Das Resultat: die Art und Weise, wie wir konsumieren und wirtschaften, hat sich grundlegend und nachhaltig verändert. Und das wiederum, hat großen Einfluss auf die Unternehmenskultur und das komplette Denken im Unternehmertum.
Der Kunde ist König
Wir haben den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft bereits angesprochen. Hinzu kommt, dass die Kund*innen eine immer wichtigere Rolle in jeder Stufe der Wertschöpfungskette eines neuen Produktes spielen. Die neue Herausforderung für Unternehmen besteht darin, Prozesse möglichst kundenorientiert zu gestalten. Alles beginnt bei den Bedürfnissen der Kund*innen und wird von dort aus „rückwärts“ bis zum Produzenten gedacht. So wird nicht bloß ein bestimmtes materielles Produkt hergestellt, sondern gleichzeitig auch Lösungen, Services und Ergebnisse angeboten. Die Kundenbeziehung wird durch diese Herangehensweise auf langfristige Sicht gestärkt.
Erweiterung oder Transformation – das ist hier die Frage
Lieber Produkte um Dienstleistungen erweitern? Oder das Unternehmen ganz in Richtung Services transformieren? Das beste Vorgehen muss von Fall zu Fall entschieden werden. Servitization kann nämlich in verschiedenen Graden umgesetzt werden. Um bei den bisherigen Beispielen zu bleiben: Bei dem Smart-Home-Konzept werden weiterhin Produkte verkauft. Doch diese werden um einen Service-Aspekt ergänzt. So gibt es etwa Kühlschränke, die selbstständig neue Lebensmittel bestellen. Carsharing hingegen, ersetzt ein Produkt (in dem Fall das Auto) komplett durch eine Dienstleistung (nämlich flexible Mobilität). Anders als bei einer Autovermietung, wird Kund*innen dabei nahezu dieselbe Verfügbarkeit und Einfachheit wie bei einem eigenen Auto geboten.
Klar im Vorteil
Die Vorteile für Unternehmen sind ziemlich offensichtlich. Zum einen können durch zusätzliche Leistungen zusätzliche Umsätze und Erträge erwirtschaftet werden. Zum anderen steigt die Kundenzufriedenheit. Wenn alles aus einer Hand kommt, können schneller individuelle Lösungen gefunden werden. Als Service-Anbieter schafft es ein Unternehmen auch, Kund*innen langfristig an sich zu binden. Das verschafft einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil, da man mit einem solchen Geschäftsmodell Marktschwankungen und Konkurrenzdruck weniger ausgesetzt ist.
Aller Anfang ist schwer
Eine Umwandung von einem reinen Produktionsunternehmen zu einem Dienstleister passiert nicht von heute auf morgen. Oft langjährig bewährte Prozesse müssen grundlegend infrage gestellt werden. Es reicht auch nicht, einfach nur ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln und dann zu implementieren. Es muss ständig mitgedacht werden. Die Konkurrenz schläft nicht und es werden permanent neue Technologien entwickelt.
Als Unternehmen braucht es also den prinzipiellen Willen zur Innovation auf allen Ebenen – von der Produktentwicklung, über den Vertrieb, bis zum Personalwesen. Und das nicht ein Mal, sondern für immer. Außerdem besteht immer auch ein gewisses Risiko. Zum einen müssen die Kund*innen das neue Angebot erst einmal annehmen. Zum anderen muss man als Unternehmen die entsprechenden Kompetenzen vorweisen. Geht man beispielsweise mit einer Sharing-App auf den Markt, die nicht einwandfrei funktioniert, vergrault man Kund*innen eher als sie anzulocken. Aber in der großen Herausforderung steckt auch eine große Chance. Denn durch ständige Innovation können auch ständig neue Umsatzquellen geschaffen werden. Das Potenzial dabei ist quasi unendlich.
Innovative Weiterbildung
Und wo wir schon bei den Themen Innovation und Potenzial sind: Bei unseren Weiterbildungsmöglichkeiten kann jede/r sein/ihr Potenzial mit innovativen Lernmethoden entfalten. Passend zu diesem Artikel, empfehlen wir zum Beispiel die Kurse „Sales Management“ und „Design Thinking“, wo das Thema Servitization im Detail angesprochen wird. Mehr Infos dazu, gibt’s auf unserer Website.