Was du wissen musst und tun kannst
Zugegeben: Es gibt sicherlich Überschriften, die mehr Freude erwecken als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Vielleicht ist das Thema sogar für manche belastend – dann spring am besten direkt zu den Hilfsangeboten. Dennoch finden wir es wichtig, so viele Menschen wie möglich über das Thema sexuelle Belästigung im Job aufzuklären. Denn nur, wer informiert ist, weiß im Zweifelsfall, welche Handlungsoptionen es gibt.
Darum geht’s:
Was ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in Zahlen
Was der Arbeitgeber gegen sexuelle Belästigung tun muss
Wehren statt wegschauen
Was ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Kurz gesagt beschreibt sexuelle Belästigung jedes sexualisierte Verhalten, das von betroffenen Personen nicht erwünscht ist. Das ist übrigens laut Gesetz verboten – dennoch sind rund 9 Prozent schon mal davon betroffen gewesen. Dabei unterscheidet man zwischen drei verschiedenen Kategorien.
1. Verbale sexuelle Belästigung
Hier erfolgt die sexuelle Belästigung durch Kommunikation. Beispiele sind zweideutige Kommentare, sexistische Witze, grenzüberschreitende Fragen zum Privatleben, Kommentare zum Aussehen oder auch die mündliche Aufforderung zu sexuellen Handlungen.
2. Non-verbale sexuelle Belästigung
Das beschreibt die sexuelle Belästigung auf Grundlage des Verhaltens, also beispielsweise anzügliches Starren, das Zeigen oder Versenden pornografischer Bilder oder auch ungewollte Annäherungsversuche in sozialen Medien.
3. Physische sexuelle Belästigung
Ungewollte Berührungen wie Umarmen, Streicheln oder Küssen zählen genauso zu dieser Kategorie wie körperliche Übergriffe oder sexualisierte Gewalt.
Ein ganz wichtiger Hinweis an dieser Stelle: Bei der Bestimmung von sexueller Belästigung im Beruf kommt es nicht auf die Absicht derjenigen Person an, die belästigt. Entscheidend ist, ob ein gewisses Verhalten objektiv einen sexuellen Charakter hat UND ob sich die betroffene Person davon belästigt fühlt. Anders gesagt: Es spielt keine Rolle, ob dein*e Kolleg*in den unangemessenen Kommentar zu deinem Äußeren „nur als Kompliment” meinte, sondern, ob du dich davon sexuell belästigt fühlst. |
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in Zahlen
Einer Studie zufolge sind, wie schon erwähnt, rund 9 Prozent von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen. Mit 13 Prozent sind Frauen wesentlich häufiger betroffen als Männer mit 5 Prozent. 98 Prozent der weiblichen Betroffenen gaben zudem an, die Belästigung sei ausschließlich oder überwiegend von männlichen Personen ausgegangen.
Generell kann sexuelle Belästigung in allen Branchen und Betriebsgrößen vorkommen. Mit 34 Prozent sind Dienstleistungsberufe besonders häufig betroffen; hier geht die Belästigung überwiegend von Kund*innen, Klient*innen oder Patient*innen aus. Ein erhöhtes Risiko gibt es mit 22 Prozent auch für weibliche Führungskräfte, Frauen in akademischen Berufen (14 Prozent) und Frauen in technischen und von Männern dominierten Berufen (13 Prozent).
Man kann davon ausgehen, dass es insgesamt eine hohe Dunkelziffer gibt, wenn’s um sexuelle Belästigung geht. Dafür kann es verschiedene Gründe geben:
- Angst, den Job zu verlieren
- Belästigung kommt von Vorgesetzten
- Verharmlosung
- Schuldumkehr
- man weiß nicht, an wen man sich wenden kann


Was der Arbeitgeber gegen sexuelle Belästigung tun muss
Auf Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) unterliegt jeder Arbeitgeber der Schutzpflicht gegenüber seinen Mitarbeitenden. Demnach muss er auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verhindern – beispielsweise mittels Präventationsmaßnahmen oder Aufklärung.
Pflicht zur Beschwerdestelle
Gesetzlich sind Arbeitgeber außerdem dazu verpflichtet, eine vertrauenswürdige und qualifizierte Beschwerdestelle für Betroffene einzurichten. Das kann eine angestellte Person sein, die dazu ernannt wird, oder eine eigene Stelle. Dabei ist es natürlich auch wichtig, dass die Beschwerdestelle allen Beschäftigten bekannt sein bzw. gemacht werden muss. Das kann auch via E-Mail geschehen.
Kommt es zu einer sexuellen Belästigung, kann sich die betroffene Person an die Beschwerdestelle wenden. Diese ist nach AGG dazu verpflichtet, jeder Beschwerde nachzugehen und den Arbeitgeber darüber zu informieren.
Wichtig zu wissen: Reichst du eine solche Beschwerde ein, darfst du als Arbeitnehmer*in laut Gesetz keine Nachteile erfahren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beschwerde begründet ist oder nicht. |
Wie läuft eine Beschwerde wegen sexueller Belästigung im Job ab?
Wie gesagt: Jeder Beschwerde muss nachgegangen werden – und das mit allen Mitteln. Dazu gehört auch, dass Beschuldigte*r und Betroffene*r befragt werden. Sofern der Arbeitgeber die betroffene Person nicht schützt, macht er sich übrigens schadensersatzpflichtig.
Tipp: Solltest du in deinem Beruf mal in der Situation sein, sexuell belästigt zu werden, dann dokumentiere jeden einzelnen Vorfall! Dafür legst du am besten eine Art Protokoll an und sammelst Antworten auf die fünf W-Fragen: Was? Wann? Wo? Wer? Wie? Gerade wenn es um übergriffiges Verhalten im digitalen Raum gibt, kannst du auch Screenshots machen, zum Beispiel von Nachrichten im Chat. So hast du im Falle des Falles alles beisammen. |
Auf eine Ermittlung muss auch ein Ergebnis folgen. Sollte eine Beschwerde zurückgewiesen werden, muss das auch gut begründet sein. Mögliche Maßnahmen, die ein Arbeitgeber als Reaktion auf sexuelle Belästigung treffen kann, sind Folgende:
- Ermahnung: die Vorstufe der Abmahnung. Das kommt beispielsweise als Reaktion auf sexuell anzügliche Komplimente oder Witze in Betracht.
- Abmahnung: Auf die Ermahnung folgt eine offizielle Abmahnung. Diese gilt bei wiederholtem Verhalten als Voraussetzung für die Kündigung.
- Versetzung: die Mitte zwischen Abmahnung und Kündigung. Die beschuldigte Person wird an einen anderen Standort oder Abteilung versetzt, um weitere sexuelle Belästigungen zu vermeiden.
- Kündigung: kann bei besonders schweren Fällen Anwendung finden, beispielsweise bei körperlichen Übergriffen. Oder, wenn vorangehende Maßnahmen keine Wirkung gezeigt haben.
Und wenn nichts passiert?
Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht gemäß des AGG, die Beschwerde zu prüfen, nicht nach, bleiben Betroffenen noch weitere Optionen:
- Leistungsverweigerungsrecht
Das tritt ein, wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht nicht oder nur unwirksam nachgeht. Dann hättest du das Recht, deinem Job bei vollem Gehalt fernzubleiben, wenn das deinem Schutz dient. Das musst du deinem Arbeitgeber schriftlich mitteilen und die Gründe angeben.
- Recht auf Entschädigung und Schadensersatz
Betroffene können ihren Arbeitgeber haftbar machen und Entschädigung bzw. Schadensersatz geltend machen. Dabei gilt eine Frist von zwei Monaten ab Tag der Tat.
Wenn du sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt hast und dir unsicher bist und nicht weißt, was du tun kannst, dann kannst du dich jederzeit an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Diese erreichst du telefonisch unter 0800 546 546 5. Die Stelle bietet auch juristische Erstberatungen an und ist ebenfalls über ihre Website erreichbar. Auch das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen” ist eine mögliche Anlaufstelle und unter 116 016 erreichbar. |
Wehren statt wegschauen
Um vorweg eins klarzustellen: Schuld an sexueller Belästigung am Arbeitsplatz hat einzig und allein der*die Täter*in und der Arbeitgeber ist zur Handlung verpflichtet. Dennoch ist es wichtig, sich – wenn möglich – gegen sexuelle Übergriffe im Job zur Wehr zu setzen. Hier drei kleine Tipps für dich:
- Hörst du sexistische Witze oder Sprüche, dann lach‘ nicht mit. Mach dem vermeintlichen Comedian klar, dass sein Verhalten ein No-Go ist. Ein „Bitte lass solche Witze sein” oder ein einfaches „Autsch!” sind nur zwei mögliche Reaktionen.
- Du hast den Eindruck oder persönlich mitbekommen, dass dein*e Kolleg*in sexuell belästigt wurde? Dann sprich ihn*sie an und biete deine Unterstützung an (oder sende ihm*ihr den Link zu diesem Artikel).
- Bist du selbst betroffen, dann versuch, dich nicht zum Opfer zu machen! Unangenehme Situationen zu überspielen kann dazu führen, dass der*die Täter*in einen Erfolg sieht und weitere Konfrontationen herbeiführt. Versuch stattdessen, souverän und deutlich zu bleiben. Sind andere Personen dabei, sprich laut und langsam – damit es das Umfeld mitbekommt.
Falls es dir nicht möglich ist, einen dieser Tipps umzusetzen oder betriebsrechtliche Wege zu gehen, dann ist auch das nicht deine Schuld. Sich in einer solch unangenehmen Situation macht- und hilflos zu fühlen ist eine normale Reaktion auf ein unnormales Verhalten. Vielleicht fällt es dir ja leichter, mit guten Freund*innen oder anderen Vertrauten zu sprechen, die dich eventuell bei weiteren Schritten unterstützen können.
Und wenn du eine Person kennst, die von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen ist oder selbst schon zum*zur Belästiger*in geworden ist, dann versende doch einfach mal den Link zu diesem Artikel. Je mehr Menschen sensibilisiert werden, umso besser für alle.