Wenn du einen Internetzugang hast, dann ist dir der Begriff Work-Life-Balance sicher schon mal begegnet. Bei Google hat der Begriff etwa 2,7 Milliarden Ergebnisse und er steht sogar im Duden. Doch trotz seiner Popularität ist Work-Life-Balance – also der Zustand, in dem Arbeits- und Privatleben im Einklang stehen – ein Modell, das aus verschiedenen Gründen ein Update braucht.
Was bedeutet Work-Life-Balance?
Bevor wir das Konzept der Work-Life-Balance hinterfragen, schauen wir uns erstmal an, was dahintersteckt. Die Zusammensetzung aus den drei englischen Wörtern Work (Arbeit), Life (Leben) und Balance (Gleichgewicht) beschreibt eine Ausgewogenheit zwischen Beruf und Privatleben. Dahinter steckt die Annahme, dass ein harmonisches Gleichgewicht entsteht, wenn beide Bereiche gleichmäßig verteilt sind.
Lass uns das mal konkret anschauen: Bei acht Stunden Arbeit am Tag, dazu insgesamt ein bis zwei Stunden Hin- und Rückfahrt und großzügigen acht Stunden Schlaf pro Nacht bleiben noch sechs Stunden am Tag an Freizeit. Aber auch diese sechs Stunden können teilweise voller Gedanken an die morgige Präsentation stecken oder man schreibt hier und da noch schnell eine geschäftliche E-Mail. Persönliche und private Belange werden dann hinten angestellt.
Und genau da kommt die Work-Life-Balance ins Spiel: Indem man sich nach Feierabend mehr aufs Privatleben konzentriert, wird man zufriedener und ausgeglichener. Das klingt erstmal nach einer guten Maßnahme gegen Probleme wie Burnout.
Vorteile einer gesunden Work-Life-Balance
Die Harmonie zwischen Anpassung im Job und Erholung in der Freizeit bringt zahlreiche Vorteile – sowohl für Arbeitnehmer*innen als auch für Arbeitgeber. Das sind beispielsweise:
- höhere Motivation und Engagement
- mehr Zufriedenheit
- bessere Produktivität
- mehr Energie durch Erholung
- weniger Ausfälle durch Krankheit
- stärkere Bindung
Wird aus dieser Balance hingegen ein Ungleichgewicht, können Symptome wie Gereiztheit, Schlafstörungen, sinkende Leistungsfähigkeit oder auch ständige Kopfschmerzen auftreten – also Folgen, an denen sowohl Arbeit als auch Freizeit, sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer*in leiden.
Kritik am Konzept Work-Life-Balance
Wenn die Vorteile doch so überzeugend sind, was gibt es dann an diesem Modell zu kritisieren, magst du dich nun fragen. Völlig berechtigt – denn auf den ersten Blick scheint eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben die Lösung für unsere überarbeitete und erschöpfte Gesellschaft zu sein. Warum das nicht unbedingt der Fall ist, beleuchten wir jetzt.
Der Begriff ist irreführend
Schon der Ausdruck Work-Life-Balance ist eigentlich ein Widerspruch, denn: Damit werden Leben und Arbeit zu Gegensätzen verklärt. Aber das ist Quatsch! Schließlich gehört Arbeit zum Leben dazu. Bei einem 8-Stunden-Tag füllt die Arbeit einen Großteil des Tages aus. Und man ist übrigens auch während der Arbeit am Leben. Plus: Arbeit macht es den meisten Menschen überhaupt erst möglich, am Leben teilzuhaben. Denn Arbeit und das daraus entstehende Gehalt ermöglichen einen gewissen Lebensstandard und schaffen eine gewisse Routine im Alltag. Außerdem definiert sich so manch eine*r auch über den eigenen Job.
Darüber hinaus reduziert der Begriff den Alltag auf zwei Bereiche: Arbeit und Leben. Dabei gibt es so viel mehr – Familie, Freundschaften, Hobby, Gesundheit oder Partnerschaft. Das und vieles mehr greift oft ineinander und all diese Facetten, die uns ausmachen und gut tun, fängt das Konzept nicht ein.
Balance ist eine Illusion
Der Begriff Work-Life-Balance lässt uns glauben, dass wir alles in idealer Harmonie haben könnten. Aber das entspricht häufig nicht der Realität. Oder wie viele Menschen kennst du, die die perfekte Balance jeden Tag hinbekommen? Das macht das Konzept Work-Life-Balance zu einer nicht erreichbaren Utopie. Warum? Weil das Leben – die Arbeit übrigens auch – oft unvorhersehbar ist, sogar chaotisch. Statt einer vermeintlichen Balance hinterherzueifern, könnte es uns helfen, uns einzugestehen, dass nicht jeder Tag, jede Woche ausgeglichen sein muss. Es wird immer mal wieder Momente geben, an denen die Arbeit überhand gewinnt – und es gibt Tage, in denen unser Privatleben mehr Aufmerksamkeit braucht. So spielt das Leben.
Keine Balance ohne Vision
Oft scheint es, als ginge es beim Thema Work-Life-Balance darum, die zur Verfügung stehende Zeit besser zu organisieren. Aber mehr Zeit alleine macht nicht glücklicher. Stattdessen sollten wir unsere Zeit und unser Leben mit Sinn füllen. Was wollen wir mit unserer Zeit anstellen? Statt die Work-Life-Balance zu verbessern, könnte das Lebensbalance-Modell nach dem Psychotherapeuten Nossrat Peseschkian ein Anhaltspunkt sein. Er geht davon aus, dass es vier Bereiche im Leben gibt, die unser Glück ausmachen und diese gilt es, im Einklang zu haben:
- Beruf und Finanzen
- Familie und soziale Kontakte
- Gesundheit und Fitness
- Sinn und Kultur
Auch hier wird die Kritik offensichtlich, dass der Begriff Work-Life-Balance zu wenig abdeckt. Statt nach der perfekten Work-Life-Balance zu streben, kann es für uns besser sein, die individuelle Lebensbalance zu finden.
Work-Life-Balance bleibt oft ein leeres Versprechen
Heutzutage werben viele Firmen um Mitarbeitende mit dem Benefit, eine Work-Life-Balance zu gewährleisten. Vielleicht hast du das in einem Stelleninserat ja auch schon mal gesehen. Und wie gesagt: Von einer gesunden Work-Life-Balance profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in gleichermaßen, so viel ist klar. Was aber in den meisten Jobs (und oft dann auch im ersten Gespräch) fehlt, ist, was die Company tut, um dieses Versprechen ihren Angestellten gegenüber einzuhalten.
Natürlich gibt es gesetzliche Regularien – zum Glück –, die eine Work-Life-Balance fördern. Da wären zum Beispiel das Bundesurlaubsgesetz oder das Arbeitszeitgesetz. Dabei können und sollten Arbeitgeber viel mehr zur Work-Life-Balance der Belegschaft beitragen. Das könnten beispielsweise sein:
- flexible Arbeitszeitmodelle schaffen
- gerechte Verteilung der Arbeit
- Projekte gut planen
- betriebsinterne Kinderbetreuung
- Ruhe- und Pausenräume
- Gesundheitsmanagement
- Sporträume oder Vergünstigungen für Fitnessstudios
- Pausen, Feierabend und Urlaub respektieren
- wertschätzende Führung
- Eltern und Alleinerziehende supporten
Natürlich gibt es auch Möglichkeiten, wie Arbeitnehmer*innen zu einer guten Work-Life-Balance beitragen können, wie beispielsweise klare Grenzen setzen, die eigene Erreichbarkeit einschränken oder Termine wie Arztbesuche ohne Schuldgefühle wahrnehmen. Aber auch das ist nur umsetzbar, wenn das Arbeitsumfeld freundlich und wohlwollend ist – und wenn man Vorgesetzte hat, die ihre Work-Life-Balance auch vorleben. Ist das nicht der Fall, könnte ein Jobwechsel das Richtige sein.
Alternativen zum Konzept Work-Life-Balance
In den letzten Jahren und im Zuge der New-Work-Bewegung haben sich auch andere Work-Life-Modelle entwickelt, die wir uns im Folgenden mal näher anschauen werden.
Work-Life-Separation
Wie der Name schon sagt, geht es bei dem Modell Work-Life-Separation darum, eine ganz klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit zu schaffen. Daraus folgt, dass man nach Feierabend, am Wochenende oder im Urlaub im besten Fall keine Zeit und keinen Gedanken an den Job verliert. Dieses Modell findet man häufig im Zusammenhang mit der Gen Z, die mehr Wert auf die Trennung zwischen Beruf und Privatleben legen und klare Strukturen bevorzugen.
Gen Z, auch Generation Z oder Digital Natives, beschreibt die Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden. Daher ist die Gen Z die erste Generation, die mit digitalen Technologien groß geworden ist. |
Hier ist allerdings die Umsetzung meistens schwierig – beispielsweise dann, wenn man nach Feierabend beim Blick auf das Smartphone doch mal einen Blick in die Arbeitsmails wirft oder wenn einem am Wochenende spontan eine tolle Idee für eine kreative Marketing-Kampagne einfällt.
Work-Life-Blending
Im Gegensatz zur Work-Life-Separation steht das Konzept Work-Life-Blending, auch Work-Life-Integration genannt. Dabei sind die Übergänge zwischen Arbeit und Privatleben fließend und gehen ineinander über. Sprich: Es ist völlig okay, während der eigentlichen Arbeitszeit mal einer privaten Angelegenheit nachzugehen – und umgekehrt, dass man dazu bereit ist, in der eigentlich freien Zeit berufliche Aufgaben zu erledigen. Hier mal ein paar Beispiele:
- in der Pause im Homeoffice mal eben die Wäsche aufhängen
- Sonne tanken bei einem Spaziergang am Nachmittag und die Arbeit später weitermachen
- morgens eine Stunde früher anfangen, weil am Nachmittag ein Arzttermin ansteht
Das ist ein Modell, das insbesondere in Homoffice- oder Remote-Jobs gut lebbar ist – nicht zuletzt, weil berufliche und private Räume verschmelzen. Auch der Technologie und Digitalisierung ist die Zusammenführung von Arbeit und Privatleben zu verdanken.
Was bei dem Konzept Work-Life-Integration Segen ist, kann aber gleichzeitig auch zum Fluch werden. Denn Arbeits- und Privatleben lassen sich womöglich nicht mehr leicht trennen. Das kann zu Überstunden, Konflikten in der Familie oder Partnerschaft oder gesundheitlichen Folgen führen. Ein gutes Selbstmanagement, richtige Auszeiten und das Dokumentieren von Arbeitszeiten sind daher unerlässlich.
Work-Life-Balance, Work-Life-Blending oder Work-Life-Separation?
Fragst du dich nun auch, welches Work-Life-Modell nun das Richtige ist? Berechtigte Frage! Aber eine eindeutige Antwort gibt es leider nicht. Das liegt daran, dass das passende Work-Life-Konzept von verschiedenen Faktoren abhängig ist – unter anderem von deinen Bedürfnissen, deinem Job und deiner Branche.
Ein paar Beispiele: Eine Pflegekraft kann nicht im Homeoffice arbeiten oder von unterwegs berufliche Aufgaben übernehmen. Da könnte die Work-Life-Separation Anwendung finden. Anders hingegen sieht’s bei Lehrer*innen aus, die ihre nächsten Schulstunden am Nachmittag von Zuhause aus vorbereitet; hier kann man eher von Work-Life-Blending sprechen. Wer in einem Konzern arbeitet, der der Belegschaft während der Arbeitszeit Kurse zur Gesundheitsprävention anbietet, hat vielleicht das Glück, einer Work-Life-Balance folgen zu können.
Work-Life-Bedürfnis statt Work-Life-Konzept
Letztlich ist es bei all diesen Work-Life-Konzepten doch so: Sie zeigen uns, was möglich ist und dadurch können wir etwas über uns lernen – nämlich, was wir brauchen und wollen. Vielleicht findest du am Konzept Work-Life-Separation die klare Trennung interessant, aber auch die Möglichkeit klasse, im Rahmen des Work-Life-Blendings, flexibel zu arbeiten zu können. Statt uns in ein Work-Life-Korsett zu zwängen, sollten wir uns möglicherweise von der Idee verabschieden, dass es das eine perfekte Modell gibt – und stattdessen im Einklang mit unseren eigenen Bedürfnissen leben und arbeiten. Wie kann das klappen? Vor allem mit einem Arbeitgeber, der Arbeitsbedingungen bietet, die einem entgegenkommen.
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