Burnout gehört in unserer heutigen Gesellschaft ja fast schon zum guten Ton. Warum das unserer Gesellschaft gar nicht gut tut, was Anzeichen für einen Burnout sind und wie Resilienz helfen kann, erfährst du im Interview von Expertenstimme Marion Hintemann.
Mit einer guten Resilienz kann einen so schnell nichts umhauen
Als zertifizierter Burnout- und Resilienz-Coach begleitet Marion Hintemann Menschen auf ihrem Weg in eine positive Zukunft. Mit ihrem Coaching unterstützt sie ihre Coachees dabei, neue persönliche Perspektiven zu entwickeln.
Hallo Marion, warum kommen die Leute zu dir ins Burnout- und Resilienz-Coaching?
Die meisten Menschen oder Coachees, wie ich sie nenne, kommen zu mir, weil sie sich überlastet fühlen oder bereits einen Burnout erlitten haben. Ein Burnout entwickelt sich ja meistens schon Monate oder Jahre vorher. Das kommt nicht von heute auf morgen. Die Menschen sind ausgebrannt oder brennen gerade aus. Es trifft häufig Personen, die sehr leistungsorientiert sind, über ihre persönliche Grenze gehen. Menschen, die sich abarbeiten, um eventuell Aufmerksamkeit oder Bestätigung zu erfahren. Oft stecken da tiefere Gründe dahinter, meistens aus der Erziehung und der Kindheit.
Sie kommen zu mir, weil sie merken, dass sie überfordert sind und sich auf dem Weg zu einem Burnout befinden. Soweit wollen wir es aber nicht kommen lassen. Stichwort: Prävention. Ich arbeite mit ihnen an ihrer Resilienz, also an der mentalen Widerstandskraft. Es gibt einige Methoden, zum Beispiel die sieben Säulen der Resilienz, die ich dazu nutze.
„Wenn man die sieben Säulen der Resilienz gut ausfüllt, dann kann einen nichts so schnell umhauen.”
– Marion Hintemann
Viele Menschen merken erst mal nicht, dass sie überfordert sind. Wie kommt man in so eine Situation der körperlichen oder mentalen Überforderung?
Ein wichtiger Faktor für Überforderung ist unsere heutige Gesellschaft. Leistungsdruck, Klimakrise, Kriege und Corona, also äußere Stressoren. Verstärkend hinzu kommen die Ansprüche an sich selbst, die inneren Stressoren. Denn es ist nie nur die Arbeitswelt oder nur die Familie, sondern auch die eigene Haltung. Meiner Meinung nach ist die innere Haltung das Wichtigste. Denn nicht jede*r, der unendlich viel Stress hat, bekommt sofort einen Burnout. Viele Menschen gehen mit der Belastung normal um und kommen nicht in eine Burnout-Gefahr, weil sie einfach resilienter sind und dazu eine gute innere Haltung besitzen.
Wie beugt man einer Überlastung vor? Wie kann man seine Resilienz trainieren?
Sehr wichtig sind da auch die Glaubenssätze, die sich als innere Antreiber im Erwachsenenalter zeigen. Diese gilt es zu identifizieren.
Die sieben Säulen der Resilienz sind: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Verlassen der Opferrolle, Erfolgsnetzwerk, positive Zukunftsplanung und Selbstreflexion.
Wer hier einigermaßen gut aufgestellt ist, für den ist das die halbe Miete. Für mich persönlich kommt die Achtsamkeit dazu, die heute fast gar nicht mehr vorhanden ist, wenn man sie nicht bewusst praktiziert. Wer schaltet heute noch ein, zwei Gänge runter und macht sich sein Leben bewusst? Ich meine damit, Sachen bewusst wahrzunehmen. Das fängt schon damit an, wenn du von A nach B fährst. Dein Navi leitet dir den Weg und du weißt bei der Ankunft gar nicht mehr, wie du dorthin gekommen bist. Du erinnerst dich nicht, wo du vorbeigekommen bist. Das ist ein wichtiger Bereich im Burnout, sich wieder zu erden und zentrieren zu können und runter zu kommen. Aus meiner eigenen Erfahrung hilft zum Beispiel eine MBSR Meditation nach Prof. Jon Kabat-Zinn sehr gut. Das ist eine achtsamkeitsbasierte Atemmeditation, die sehr wirksam sein kann. Sie wird oft in Reha-Kliniken im Stress- und Burnout-Bereich angewendet und ist wissenschaftlich fundiert. Sie führt zu einem messbaren Abbau des Stresslevels.
Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen zu surfen.
– Jon Kabat-Zinn
Du begleitest die Menschen als Unterstützerin. Wie kann man sich das vorstellen? Wie sind eure gemeinsamen Schritte?
Zuallererst erzählen die Coachees mir von ihren Problemen. Aber was das Coaching von einer Therapie unterscheidet: Man fängt mit einem Ziel an. Das zu benennen, irritiert viele Coachees zuerst. Therapien fangen mit der Ursache an, man forscht immer wieder in der Vergangenheit, daran, woher die Probleme kommen. Im Coaching sprechen wir das nur kurz an. Oft erzählen die Coachees von sich aus ihre Geschichte und hören gar nicht mehr auf. Sie sind dann einfach froh, sich endlich jemandem öffnen zu können, der nicht im nahen Lebensumfeld angesiedelt ist.
Wir beginnen dann also, über das Ziel zu sprechen. Wo möchtest du hin, was möchtest du mit dem Coaching erreichen? Wenn das geklärt ist, besprechen wir die nächsten, meist kleinen Schritt, mit denen wir das Ziel erreichen können. Aus kleinen Schritten werden große Schritte. Ich gebe viele Impulse, mache den Coachees aber auch klar bewusst, was sie da gerade sagen, damit sie ihre Gedankenspirale durchbrechen können. Sie verlassen oft ihre Rolle, in der sie stecken, nicht mehr. Häufig werden bestimmte Schlagwörter immer wiederholt. Ich spiegele das dann zurück, um ihnen das bewusst zu machen. Ich stelle viele Fragen, natürlich, um die Coachees ins Überlegen zu bringe und die Dinge aus einer anderen Sicht zu betrachten. Das hat viel mit Lösungsorientiertheit und Perspektivenwechsel zu tun.
Ich arbeite zielorientiert, aber ergebnisoffen. Ich sage den Coachees, dass man nicht immer mit einem Ergebnis rechnen kann. Aber man kann damit rechnen, dass sich dadurch irgendetwas in Bewegung setzt. Und das ist wichtig. Wenn man etwas im System ändert, sei es noch so klein, dann wird sich etwas verändern. Wie in einem Uhrwerk, wo man an einem Rädchen dreht. Jede eigene Veränderung bei sich selbst, etwas, was man vielleicht noch nie gemacht hat, wird sich im ganzen Lebenssystem und auch bei den Menschen, mit denen man viel zu tun hat, etwas ändern.
Mensch sein, das ist mir wichtig. Immer mehr Leistung und Profit, schneller, höher, weiter, sind toxisch für uns. Wir müssen wieder dahin zurück, Mensch zu sein, sonst wird das nichts mehr mit der Menschheit. Wir schaffen uns so selber ab. Wenn wir so weitermachen, ist irgendwann finito.
Wie Marion sagt: Ein Coaching und eine Therapie sind zwei unterschiedliche Methoden. Dabei sind manche Symptome des Burnouts ähnlich wie die einer Depression. Eine Depression ist allerdings ein ernstzunehmendes Krankheitsbild, das eine therapeutische Behandlung benötigt. Wenn du oder jemand, den du kennst, eher den Verdacht hat, eine Depression zu haben, dann findest du Unterstützung bei der Deutschen Depressionshilfe oder telefonisch beim Info-Telefon Depression unter 0800 – 33 44 533. Schau auch gerne, welche anderen Anlaufstellen es gibt. |
Erfahre mehr über Marion, ihren Werdegang und ihre Arbeit als Burnout- und Resilienz-Coach auf ihrer Website – schau unbedingt vorbei!
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