Thomas Hesse ist einer der letzten Diplom-Ingenieure für Maschinenbau, die diesen Abschluss in Deutschland noch gemacht haben. Projektmanagement war immer schon ein berufliches Thema bei ihm. Seine erste berufliche Station war bei Ford in Köln. Dort war er mehrere Jahre mitverantwortlich für die Komponentenentwicklung im internationalen Testmanagement von Reifen und Rädern. Parallel war er auch im privaten Motorsportbereich aktiv, in der formula student, wo Studierende eigene Rennwagen bauen. Schon bei Ford hatte er die ersten Berührungen mit Six Sigma Projekten. Eine nächste berufliche Station war dann der Sondermaschinenbau für den Automotive-Bereich eines mittelständischen Unternehmens. Dann kam Corona und er wurde auf LEARNING DIGITAL aufmerksam – zuerst als Teilnehmender und anschließend als Dozent für Projekt- und Prozessmanagement, insbesondere für den Bereich Six Sigma. Thomas lebt in Kassel.
Hallo Thomas, du bist bei LEARNING DIGITAL Dozent für Six Sigma, einer Projekt- und Prozessmanagement-Methode. Erkläre uns doch mal, was es damit auf sich hat.
Six Sigma ist eine Brücke zwischen Projekt- und Prozessmanagement. Prozessmanagement beziehungsweise Prozessverbesserungen laufen normalerweise weniger Projektbezogen ab, sondern für gewöhnlich in konstanten Abständen ab. Begriffe wie KVP, der kontinuierlicher Verbesserungsprozess, kennen wir auch aus dem Lean Management, in dem man in bestimmten Zyklen immer wieder Verbesserungen anstrebt. Das sind also permanente Prozesse. Six Sigma wird aber als Projekt aufgezogen, um Prozesse zu verbessern, als mit klarem Projektstart, Projektende und Projektziel. Es ist also eine klassische und weniger eine agile Projektmanagement-Methode. Das hat natürlich Vor- und Nachteile. Für den Ansatz, den Six Sigma verfolgt, ist es aber wichtig, vorher das Ziel zu definieren und am Ende zu schauen, ob wir das erreicht haben, was wir wollten, um den Prozess zu optimieren. Six Sigma arbeitet daher nach fünf ganz klaren Phasen, die immer durchlaufen werden. Das Akronym DMAIC steht für den Kernprozess des Qualitätsmanagement-Ansatzes bei Six Sigma und beschreibt dessen Phasen Define – Measure – Analyse – Improve – Control (dt. Definieren – Messen – Analysieren – Verbessern – Steuern).
Six Sigma ist ja eine Zertifizierung, ähnlich wie Scrum.
Ja und Nein. Scrum hat ein ganz eigenes und klares Regelwerk. Six Sigma kommt aus den 1980er Jahren und wurde von Motorola entwickelt. Dort wurden damit gute Erfolge erzielt, aber nie wirklich in Stein gemeißelt. Six Sigma wurde dann sehr populär und in andere Industriezweige übertragen und angepasst. Tatsächlich gibt es bis heute kein festes Regelwerk wie beispielsweise bei Scrum.
Diese Abstufung von Green Belt und Black Belt wurde noch bei Motorola eingeführt. Wir erinnern uns: In den 1980er Jahren waren durch die Filmreihe Karate Kid diese Kampfkunst Filme sehr populär. So nach dem Motto: Wir kämpfen gegen die Kosten und dafür brauchen wir den grünen oder schwarzen Gürtel. Eigentlich sehr kultig.
Welche Voraussetzungen sollten Teilnehmende erfüllen, um an einem unserer Six Sigma Kurse teilzunehmen?
Eigentlich gibt es keine Voraussetzungen, die sie erfüllen müssen. Allerdings ist es so, dass Six Sigma eine sehr statistische Ausprägung in der Herangehensweise hat. Erinnere dich an DMAIC Stufe 2 und 3: messen und analysieren. Man muss aber nicht Statistik studiert haben oder eine Mathegenie sein, aber man muss sich halt mit Zahlen auseinandersetzen. Für die eine oder andere Person könnte das etwas trocken wirken, aber wir haben keinen akademischen Anspruch an unsere Teilnehmenden.
Aus welchen Bereichen kommen unsere Teilnehmenden?
Unsere Teilnehmenden kommen beruflich aus der Produktion und hatten meistens eine Leitungs- oder Führungspositionen mit langjähriger Berufserfahrung, zum Beispiel als Produktionsleiter*in, inne. Diese Kurse sucht man sich sehr gezielt aus, sie werden weniger von der Arbeitsagentur empfohlen. Six Sigma ist hauptsächlich in der Automobilindustrie stark vertreten. Wenn man dementsprechend gut ausgebildet ist und einen gewissen Hang zu Eigeninitiative zeigt, sind hohe Gehälter möglich.
Six Sigma spricht also ein Berufsbild eines Projektmanagement-orientierten Ingenieurs an?
Ja, kann man so sagen. Wenn man bereits Erfahrungen im Projektmanagement hat, kennt man die Phasen, die ein Projekt durchläuft. Viele, die in der Produktion arbeiten, bilden sich im Bereich Six Sigma Black weiter, um durch das Projektmanagement die laufenden Prozesse zu verbessern. Eigentlich sind das zwei unterschiedliche Dinge: Prozesse und Projekte. Six Sigma verbindet diese. Durch ein Six Sigma Projekt wird der Prozess verbessert.
Wie sind die Berufsaussichten in diesem Bereich?
Insbesondere in der Automobilindustrie sind sie sehr gut. Regelmäßig stolpere ich über Stellenanzeigen, in denen Six Sigma Green Belts oder Six Sigma Black Belts gesucht werden. Dort werden Arbeitnehmer*innen gesucht, die explizit diese Zusatzkenntnisse vorweisen können. Fairerweise muss ich sagen, dass die Fortbildung kein Garant ist, mit 130.000 Euro Jahresgehalt direkt einzusteigen. Das gibt es zwar in Einzelfällen, die Verdienstmöglichkeiten sind aber in der Regel wirklich gut. Six Sigma Projekte passen gut für Industriebereiche, die hohe Stückzahlen produzieren, um deren Produktionsprozesse zu optimieren
Pingback: LEARNING DIGITAL & Young Crew PM Summit | LEARNING DIGITAL Blog on 1. September 2023
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