Egal, wo wir hinschauen: Überall sehen wir fröhliche Menschen, gute Laune, breites Grinsen – von Social Media über Werbeplakate bis hin zum Whatsapp-Gruppenchat. Es scheint, als hätten negative Gefühle keinen Platz in der Welt. Oder wie oft begegnen dir Gefühle wie Angst, Neid, Wut oder Scham im Alltag – oder gar in der Arbeitswelt? Klar, gut fühlen sich diese Emotionen nicht an. Aber sie haben einen Sinn! Welcher das ist, das erfährst du jetzt.
Das erwartet dich:
Angst: das Monster unterm Bett
Wut tut gut!
Lasst uns in Grund und Boden schämen!
Neid ist besser als sein Ruf
Angst: das Monster unterm Bett
Wir alle kennen Angst – diese unangenehme Emotion, die unser Herz schneller schlagen, uns verkrampfen lässt. Sie macht uns unruhig und nervös. Was unsere Angst auslöst, kann ganz unterschiedlich sein: eine Spinne, die bevorstehende Prüfung oder das nächste Vorstellungsgespräch. Häufig begegnet uns die Annahme, dass Angst nur die Schwachen unter uns trifft. Doch das ist falsch! Angst ist nämlich ein Mechanismus, der uns beschützen und das Leben retten kann.
Der Ursprung der Angst
Das wird deutlich, wenn wir uns auf eine kleine gedankliche Zeitreise begeben: Stell dir vor, wie unsere Vorfahren vor Millionen Jahren in der Wildnis stehen. Da raschelt es im Gebüsch – unser Hirn schlägt Alarm und steht nun vor einer Entscheidung. Ist es nur ein Windhauch? Dann wäre eine Fluchtreaktion die reinste Energieverschwendung. Vielleicht lauert aber auch eine Raubkatze im Gebüsch … Dann wäre Sorglosigkeit unser sicheres Ende. Ohne die Angst würden wir alle vermutlich nicht hier sein.
Das Gute an der Angst
Vielleicht geht’s dir auch so: Angst ist eins der negativen Gefühle, das sich schlecht anfühlt. Dabei ist es viel häufiger die Angst vor der Angst, die uns unangenehm ist. Angst an sich ist nämlich nicht das Problem – sondern der Umgang mit ihr. Schließlich wähnen wir uns in Gefahr. Natürlich ist es ärgerlich, wenn wir eine Prüfung versemmeln oder im Vorstellungsgespräch kein Wort rauskriegen – doch solche Situationen bringen uns nicht in Lebensgefahr. Wie wär’s also, die Angst eher als anregend als als gefährlich anzunehmen? Dann kann das einengende Gefühl, dass Angst uns bringt, eher zum Fokussieren genutzt werden. Wenn wir uns auf den Gedanken einlassen, dass Angst uns die Energie gibt, eine Challenge zu lösen, dann können wir sogar Kraft aus ihr schöpfen. Wie genial ist das?! Vielleicht gelingt es auch dir, der Angst gelassener zu begegnen. Schließlich will sie nur dein Bestes.


Wut tut gut!
Wer Wut freien Lauf lässt, gilt oft als unberechenbar. Und dadurch zügeln wir auch unsere eigene Wut, aus Angst, genauso unberechenbar zu wirken. Schließlich gilt Wut als negatives Gefühl. Aber ist das gut so? Du kannst es dir vielleicht denken: Nein!
Wut ist ein Gefühl, in dem sehr viel Erregung steckt. Das wird auch am steigenden Blutdruck und Herzschlag deutlich. Das Erregungslevel steigt und wir brausen auf – und unser Hirn schaltet aus. Wir sind blind vor Wut, denn Wut ist eine automatische Reaktion auf die Reize um uns herum. Und diese Reize – und damit auch die Wut – entstehen, wenn man uns ungerecht behandelt, sich über uns lustig macht, uns unterdrückt. Sie zeigt uns also ganz klar, dass wir uns schlecht behandelt fühlen. Damit ist Wut auch als Gegenteil zur Gleichgültigkeit zu verstehen.
„Wut ist die Energie, die uns zwingt zu definieren, was gerecht ist und was ungerecht.“
Mahatma Gandhi
Mach mal ein kleines Gedankenexperiment: Es ist kurz vor Feierabend, du hast heute ordentlich was geschafft und freust dich schon auf später, denn du bist mit Freund*innen zum Essen verabredet. Und gerade in dem Moment kommt dein Boss rein und brummt dir noch ein „extrem wichtiges und zeitkritisches“ To-do auf. An Feierabend ist nicht zu denken, deine Verabredung musst du canceln. Wie reagierst du innerlich? Was für Gefühle kommen hoch? |
Wenn in dem Moment die Wut in dir anfängt zu köcheln, ist das eine verständliche Situation. Denn dein Boss überschreitet mit seinem Arbeitsauftrag deine Grenzen, das findest du berechtigterweise nicht fair und die Wut hilft dir, genau das zu erkennen. Kommen solche oder ähnliche Situationen häufiger vor, dann hat deine Wut vielleicht eine Nachricht für dich: Raus da! Ein Jobwechsel ist dann eine gute Idee.
Oder eine andere Situation: In deinem Job läuft soweit alles gut, du bekommst Lob für deine Arbeit, verstehst dich gut mit deinen Kolleg*innen und deiner Teamleitung. Und dann die erschütternde Nachricht: Aufgrund von Sparmaßnahmen wird dir gekündigt. Sofern du auch in einer solchen Situation mit Wut reagierst, ist das ganz normal. Schließlich hast du nichts gemacht, um in dieser Lage zu sein. Angesichts deiner Leistungen ist diese Kündigung und damit eine mögliche Arbeitslosigkeit vor allem: ungerecht.
Vielleicht gelingt es dir ja mit ein wenig Achtsamkeit, deine Wut zu beobachten und herauszufinden, was genau die Ungerechtigkeit ist. Dann kannst du deine Wut nutzen, um zu handeln und dieses vermeintlich negative Gefühl vielleicht sogar in positive Energie umwandeln – beispielsweise, indem du die Gelegenheit für eine berufliche Weiterbildung nutzt.
Lasst uns in Grund und Boden schämen!
Alle von uns waren einmal in einer solchen Situation und wären vor Scham am liebsten im Boden versunken: Mitten in der Präsentation fällt uns auf, dass die Bluse falsch geknöpft ist, man macht einen Witz über den Chef, der die ganze Zeit hinter einem steht … Wie unangenehm! Scham fühlt sich wie ein negatives Gefühl an. Wir fühlen uns verlegen oder sogar gedemütigt. Das liegt daran, dass Scham ein sehr soziales Gefühl ist, denn: Wir befürchten negative Reaktionen von anderen – oder bekommen sie sogar.
Ob wir uns schämen oder nicht, ist sehr individuell. Das hängt nämlich mit vielen Faktoren zusammen, zum Beispiel den Werten einer Kultur, der Bildungsschicht oder der Peer Group, der wir uns zugehörig fühlen. Scham kann in ganz unterschiedlichen Momenten auftreten, daher wird zwischen vier verschiedenen Schamtypen unterschieden:
- abweichende Persönlichkeitsmerkmale oder soziale und körperliche Abweichung
- zum Beispiel Weinen in der Öffentlichkeit
- Scham für den eigenen Körper
- grenzverletzendes Verhalten
- wenn wir öffentlich zur Schau gestellt werden
- wenn wir lügen oder Normen brechen
- Misserfolg oder Versagen
- dazu zählen Niederlagen, Fehler oder wenn sich unsere Aussagen als falsch herausstellen
- auch wenn wir die Kontrolle über unseren Körper verlieren, gehört dazu – wie lautes Pupsen in der Öffentlichkeit
- Lob
- Unwohlsein wegen höherer Aufmerksamkeit
- Angst, nicht angemessen zu reagieren
Wie kann an diesem negativen Gefühl etwas Gutes sein? Berechtigte Frage. Aber selbst Scham hat eine Funktion: Sie hilft uns dabei, geltende Normen einzuhalten. Für das soziale Zusammenleben hat sie also einen großen Nutzen, denn die Scham zeigt uns, wann wir uns daneben benehmen. Sie bringt uns dazu, Normen einzuhalten. Wir bleiben damit Teil der Gruppe. Spannend ist, dass die Scham dabei zwei Funktionen hat: Für einen selbst ist sie eine Art Alarmanlage – für andere wirkt sie beschwichtigend. Das rote Gesicht und unverständliches Gestammel signalisieren: „Schau mal, ich habe was falsch gemacht und damit fühle ich mich nicht gut, du brauchst mich nicht bestrafen.”
Natürlich muss das nicht immer so laufen und andere Menschen können einen in der Scham auflaufen lassen. Machst du zum Beispiel in deinem Job einen Fehler, für den du dich schämst, und dein Chef dich trotz deiner sichtbaren Scham noch weiter triezt, dann ist nicht deine Scham das Problem – sondern der Umgang deines Chefs oder die Fehlerkultur im Betrieb.
Neid ist besser als ihr Ruf
Du wirst vermutlich zustimmen, wenn wir sagen, dass Neid auf der Skala der negativen Gefühle ziemlich weit unten ist. Dabei kennen wir es alle, dieses unangenehme Gefühl in der Brust, diesen Mix aus Scham und Verbitterung, serviert mit einer Prise Unterlegenheit. Und klar, niemand will gerne missgünstig sein. Daher lassen wir uns Neid oft nicht anmerken oder überspielen ihn.
Lass uns Neid mal genauer anschauen. Es sind nämlich drei Faktoren, die unser Erlebnis von Neid prägen. Da ist die persönliche Relevanz: Nur, wenn uns Dinge wichtig sind, werden wir neidisch. Dazu kommt die soziale Nähe. Wir sind eher neidisch auf Menschen, denen wir nahestehen. Wir sind also eher neidisch auf den Kollegen als auf Beyoncé. Der dritte Faktor ist Ähnlichkeit: Je ähnlicher die Person ist, die einen übertrumpft, umso eher reagieren wir mit Neid.
Zwei Wege, mit Neid umzugehen
Die Frage ist, wie wir damit umgehen, wenn wir Neid empfinden. Es gibt zwei verschiedene Wege. Der eine führt uns vom Neid in Richtung Missgunst. Das kann sogar zerstörerisch werden, beispielsweise, wenn man der anderen Person übel nachredet, Intrigen gegen sie spinnt oder sogar mobbt. Klar – bei diesem Umgang sind negative Gefühl ewie Neid nichts Gutes.
Der andere Weg führt uns jedoch Richtung Ansporn. Neid kann nämlich dabei helfen, besser auf die eigenen Träume hinzuarbeiten! Wenn wir Neid empfinden, dann zeigt uns das nämlich, dass uns genau das, worauf wir neidisch sind, wichtig ist. Und das kann eine wunderbare Motivation sein. Neid als Antrieb ist also eine wunderbare Chance, diesem eigentlich negativen Gefühl etwas Gutes abzugewinnen.
Und so geht’s auch:
Wie du nun weißt, entsteht Neid häufig im Vergleich mit anderen. Und dass uns das meistens eh nicht gut tut, ist dir vermutlich bekannt.
„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“
Søren Kierkegaard
Was also auch helfen kann, ist, dir Ziele zu setzen, die unabhängig von anderen funktionieren. Anders gesagt: Kümmerst du dich um deinen eigenen Rasen, fällt es dir gar nicht auf, wenn der Nachbargarten grüner ist – und wenn doch, dann ist es dir egal, weil du deine eigenen Blüten bestaunst.
Negative Gefühle neu interpretiert
Wir hoffen, dass wir dir ein paar neue Blickwinkel auf vermeintlich negative Gefühle geben konnten. Vielleicht wirst du, wenn dich das nächste Mal die Angst, Wut, Scham oder der Neid packt, anders reagieren als bisher und dich stattdessen fragen, was diese Gefühle dir mitteilen möchten. Das kann dir ganz neue Erfahrungen mit deinen Emotionen schenken.
Natürlich sieht das Ganze nochmal anders aus, wenn nicht du diese Gefühle hast, sondern andere diese Gefühle dir gegenüber hegen – wie der grenzüberschreitende Boss von vorhin. Auch wenn dieser seine Gründe für sein Verhalten haben mag: Das rechtfertigt nicht, andere unfair zu behandeln. In einem solchen Fall kann ein Gespräch mit der Personalabteilung hilfreich sein. Und wenn nicht, dann kann ein Jobwechsel sinnvoll sein.
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