Die Zukunft ist Hoshin Kanri
Hoshin Kanri kommt dir spanisch vor? Ist aber japanisch. „Hoshin“ kommt von „hoshi“, was Kompassnadel heißt. „Kanri“ kann mit „Steuerung“ oder „Management“ übersetzt werden. Und beide Worte nebeneinander bedeuten also in etwa „Kompassnadel-Management“ oder – sinngemäß – auch „Steuerung mit Zielen.“
Es handelt sich dabei um ein Lean-Management-Konzept, das das gesamte Unternehmen umfasst. Dabei werden alle Führungskräfte und Mitarbeiter*innen in einen systematischen Kaskadierungsprozess eingebunden. Für alle, die jetzt denken „Kaskadier-was?“ – keine Angst – wir erklären gleich noch mal genauer, was es damit auf sich hat.
Und auch wenn dir die Bezeichnung „Hoshin Kanri“ noch nie begegnet ist, so hast du vielleicht schon mal eines der Synonyme dafür gehört:
- Hoshin planning
- Management by Policy (MbP)
- Management by planning
- Policy deployment
- Policy development
Im deutschsprachigen Raum ist Hoshin Kanri tatsächlich noch kaum bekannt. In Japan wird diese Methode allerdings bereits seit rund 40 Jahren erfolgreich angewandt – unter anderem bei Toyota.
Wir wollen in diesem Artikel mal der Frage nachgehen, wie dieses Lean-Konzept genau funktioniert. Und warum es sich besser zur Erreichung von Unternehmenszielen eignet als so manches Andere.
Strategie schadet nie?
Wie bereits eingangs erwähnt, ist Hoshin Kanri eine essenzielle Lean-Management-Methode. Sie hilft dabei sicherzustellen, dass die Strategie eines Unternehmens wirklich über die gesamte Hierarchie hinweg umgesetzt wird.
Egal in welcher Position: Mitarbeiter*innen wissen, wie sie zur Umsetzung beitragen. Klingt simpel, ist es aber nicht immer. Denn in vielen Unternehmen ist es nach wie vor üblich, dass „die da oben“ (also die Geschäftsführung oder das Top-Management) eine Strategie entwickeln, die dann auf operativer Ebene nicht oder nur halbherzig realisiert wird.
Das kann mehrere Ursachen haben. Etwa, dass die Strategie von den Teams nicht wirklich verstanden wird. Oder, dass nicht wirklich klar ist, wie sie im Alltag konkret umgesetzt werden soll. Theorie und Praxis klaffen also in vielen Fällen stark auseinander. Aus diesem Grund braucht es eine Methode, die die Strategie der Geschäftsführung mit der Arbeitsrealität der Teams und aller Beteiligten verbindet. Bühne frei für Hoshin Kanri!
Kaskadieren – aber richtig!
Im Mittelpunkt von Hoshin Kanri steht ein klar definierter Planungs- und Steuerungsprozess. Strategien werden im Unternehmen sowohl vertikal als auch horizontal abgestimmt. Also top-down genauso wie bottom-up sowie kreuz und quer zu allen Abteilungen, Teams und Mitarbeitern. So wird eine klare, gemeinsame Zielausrichtung erreicht, bei der wirklich alle involviert sind. Von der Geschäftsführung bis zu den Praktikant*innen. Das heißt: im Hoshin-Kanri-Prozess findet zwar auch eine Kaskadierung statt (also die Weitergabe von Strategien und damit verbundene Aufgaben von Hierarchieebene zu Hierarchieebene – von oben nach unten), aber das dahinter liegende Führungsverständnis ist ein komplett anderes.
Es geht nicht um kurzfristige Ergebnisorientierung (= reine Zielkaskadierung), sondern um die langfristige Organisationsentwicklung. Gemeinsame Gestaltung, bereichsübergreifende Prozesse und teamorientiertes Arbeiten stehen im Vordergrund. Es gibt keine permanenten Kontrollen durch das Management.
Stattdessen steht permanente Verbesserung auf der Tagesordnung – ähnlich wie bei Kaizen oder im PDCA-Zyklus. Es geht primär darum, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der alle am selben Strang und in derselben Richtung ziehen. Jede/r Mitarbeiter*in soll die Möglichkeit haben, selbstbestimmt zu arbeiten. Jedes Team soll selbst prüfen können, ob und wie die festgelegten Ziele erreicht werden.
So nicht: Ein praktisches Beispiel
Stellen wir uns mal ein Unternehmen vor. Nennen wir es der Einfachheit halber „0815-Technologies“. Dort werden innovative Rasenmäher hergestellt.
Die Geschäftsleitung will die Overall Equipment Effectiveness in der Produktionsanlage im kommenden Jahr um satte 5 % steigern. Das Team der Instandhaltung will die Kosten um 2 % senken und die Innovationsabteilung will ihr Time-to-Market um 30 % verringern. Und hier beginnt auch schon das Problem! Zumindest, wenn man nur in Zielkaskadierung denkt. Jede Abteilung hat in diesem Beispiel unterschiedliche Ziele.
Die Reduktion der Instandhaltungskosten stehen höchstwahrscheinlich im Widerspruch zur Erhöhung der Performance in der Produktion. Denn wenn ich eine Produktion weniger instand halte, kommt es tendenziell schneller zu Ausfällen.
Genauso verhält es sich zwischen Innovation und Produktion. Um die Durchlaufzeit eines neuen Produkts bis zur Marktreife zu senken, braucht es in der Regel mehr Versuche auf der Produktionsanlage. Mehr Zeit für Versuche bedeutet weniger Verfügbarkeit für Produktion. Konflikte zwischen den einzelnen Abteilungen sind vorprogrammiert. Nicht so bei Hoshin Kanri. Hier wird der großen Vision des gesamten Unternehmens alles andere untergeordnet.
Das Ziel ist das Ziel
Bei Hoshin Kanri gibt es dabei immer zwei Prozesse: die Planung und die Umsetzung. Zentrales Merkmal ist, dass nicht – wie bei anderen Methoden – bestimmte Werkzeuge im Vordergrund stehen. Der Fokus liegt vielmehr auf dem Know-how. Also dem Verständnis davon, was die übergeordnete Unternehmensstrategie ausmacht und wie sie auf allen Ebenen umgesetzt werden kann.
Das Ganze findet in sieben Schritten statt:
- Die Unternehmensführung entwickelt erst eine starke Vision. Diese Vision beantwortet die essenzielle Frage: „Warum existiert das Unternehmen überhaupt?“
- Die Unternehmensführung definiert die wichtigsten und größten Ziele. Erst, wenn diese Ziele in Zukunft erreicht werden, kann sich das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil sichern.
- Die Unternehmensführung setzt sich mit den Teamleadern zusammen, um die großen Ziele in Jahresziele aufzugliedern.
- Die so definierten Jahresziele, müssen dann auf allen Ebenen eingeplant und an alle Mitarbeiter*innen weitergeben und abgestimmt werden.
- Jetzt geht es an die eigentliche Ausführung.
- Durch monatliche Überprüfungen wird sichergestellt, dass alles plangemäß ausgeführt wird.
- Am Jahresende findet noch einmal eine Überprüfung statt. Im Idealfall wird dann das erzielte Endergebnis bestätigt.
Grundprinzipien nach Klesse
Daraus ergeben sich eine Reihe von Grundprinzipien, die Peter Klesse in seinem 2019 erschienenen Buch „Best Practice im Vertrieb durch Hoshin Kanri“ als elf Kernelemente beschreibt:
- Partizipation: Alle werden eingebunden. Es finden gemeinsame Diskussionen zwischen Management und Mitarbeiter*innen statt.
- Kooperation: Unterschiedliche Bereiche und Abteilungen arbeiten zusammen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
- Befähigung: Mitarbeiter*innen werden dazu angeregt, eigenständig Verantwortung zu übernehmen.
- Kaskadierung: Langfristige Ziele (sogenannte „North Stars“) werden in Jahresziele und einzelne Projekte heruntergebrochen.
- Langfristigkeit: Strategieziele haben meist einen Horizont von mehreren Jahren.
- Fokus: Bewusste Beschränkung auf wenige „North Stars“.
- Quantifizierung: Alle Ziele und Vereinbarungen sind messbar, damit mögliche Abweichungen schnell erkannt werden können.
- Fehlertoleranz: Ziele können auch mal verfehlt werden, wenn man dadurch Verbesserungspotenzial identifizieren und implementieren kann.
- Sachlichkeit: Wenn mal was nicht klappt, beziehungsweise ein Etappenziel nicht erreicht wird, bleibt man analytisch und wird nicht persönlich.
- Kommunikation und Visualisierung: Wie bereits erwähnt, ist Hoshin Kanri partizipativ. Das heißt: Alles muss entsprechend umfangreich kommuniziert werden – persönlich und mit klaren Visualisierungen.
- Methoden-orientiert: Erprobte und agile Methoden zur Problemlösung können unterstützend eingesetzt werden (wie PDCA, Pareto oder Kaizen).
Nachteile von Hoshin Kanri
Das Hoshin Kanri Prinzip klingt eigentlich rundum erfolgversprechend. Ist es doch inklusiv und leicht zu verstehen. Doch vor allem das mit der jährlichen Zielsetzung stößt vor allem bei den Fans von Agilen-Konzepten auf Ablehnung. Ihnen zufolge kann niemand vorhersagen, was in einem Jahr passiert. Große Ziele und Visionen sind gut, aber ein System, das flexibles und schnelles Eingreifen ermöglicht, darf nicht fehlen, gerade in einer (Arbeits-)Welt, die immer schnelllebiger wird.
Deshalb wird empfohlen, beides miteinander zu verbinden (wie auch schon bei Klesse im 11. Punkt angesprochen). Das kannst du übrigens ganz problemlos mit unseren Kursen. Im Bereich „Prozessmanagement“ findest du ein vielseitiges Angebot an relevanten Weiterbildungsmöglichkeiten.
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