Kennst du das auch? Oft, wenn wir vor Herausforderungen stehen, denken wir „Das kann ich nicht.“ Und das Perfide: Oft schenken wir solchen Gedanken viel Glaube und Aufmerksamkeit – auch, wenn sie ganz und gar nicht der Realität entsprechen. Ob wir uns neuen oder schwierigen Situationen gewachsen fühlen, hängt von der Selbstwirksamkeit ab. Was genau dahinter steckt, wieso Selbstwirksamkeit wichtig ist und wie du sie fördern kannst, erfährst du jetzt.
Selbstwirksamkeit: eine Definition
Selbstwirksamkeit ist ein Konzept, das maßgeblich von dem kanadischen Psychologen Albert Bandura geprägt wurde. Im Englischen als self-efficacy bekannt, beschreibt Selbstwirksamkeit das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und Skills, um Herausforderungen zu bewältigen und der Glaube daran, damit selbst etwas bewirken zu können. Das kann bei verschiedenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Dieses Vertrauen wirkt sich unmittelbar darauf aus, wie das Ergebnis ausfällt. Anders gesagt: Selbstwirksamkeit ist der Glaube daran, dass wir die Kompetenz haben, aus den Zitronen in unserem Leben eine leckere Limo zu machen.
Das bringt Selbstwirksamkeit
Wenn du jetzt denken magst, dass Selbstwirksamkeit nicht so wichtig ist, dann müssen wir dich enttäuschen. Denn Selbstwirksamkeit beeinflusst unser Denken und Handeln: Sie hilft uns bei Entscheidungen, setzt unsere Ziele und sorgt dafür, ob wir mit etwas überhaupt anfangen oder es direkt lassen. Darüber hinaus kann Selbstwirksamkeit diese Effekte haben:
- Du hast mehr Erfolg.
- Du hast mehr Durchhaltevermögen.
- Du hast weniger Angst.
Wichtig dabei ist: Bei Selbstwirksamkeit geht es nicht um unsere eigentlichen Kompetenzen, sondern unsere persönlich empfundenen Fähigkeiten. Um das noch ein bisschen deutlicher zu machen hier ein paar beispielhafte Aussagen, die für eine gute Selbstwirksamkeit sprechen:
„Wenn Probleme auftauchen, bin ich gelassen, weil ich auf meine Fähigkeiten vertraue.“
„Schwierigkeiten kann ich aus meiner eigenen Kraft heraus anpacken.“
„Ich komme auch dann gut zurecht, wenn mich ein überraschendes Ereignis trifft.“
Das Gegenteil von Selbstwirksamkeit ist übrigens die gelernte Hilflosigkeit. Das kommt vor, wenn wir das Gefühl haben, dass wir keine Macht haben, um unsere Situation zu verändern. Statt aktiv nach Lösungen zu suchen, geben wir eher auf und verhalten uns passiv.
Ein konkretes Beispiel: Du möchtest mehr Sport machen, um deiner Gesundheit etwas Gutes zu tun. Wenn du nicht daran glaubst, mehr Aktivität in deinen Alltag zu bringen, dann wirst du es vermutlich gar nicht erst versuchen (übrigens: nicht nur du, keine Sorge). Vielleicht glaubst du dann, dass du eh keine Zeit hast, das Gym zu weit weg ist … Bist du allerdings von deiner Willensstärke überzeugt, dann wirst du auch einen Weg finden, mehr Sport zu treiben.
Selbstwirksamkeit im Job: Lass mal was bewegen!
Du weißt nun: Selbstwirksamkeit ist, wenn wir denken, dass das, was wir tun, etwas bewirkt. Und das können wir natürlich auch im Job leben. Erleben wir unser berufliches Handeln als wirksam, fühlen wir uns in der Regel gut. Wenn wir Kontrolle haben und Projekte aktiv vorantreiben, erleben wir Selbstwirksamkeit auch im Beruf und können damit erfolgreicher werden.
Dabei gilt es allerdings zu bedenken, dass auch die größte Selbstwirksamkeit wenig nützt, wenn wir uns in einem toxischen Jobumfeld befinden. Nicht nur der Glaube an sich selbst, sondern auch der Glaube an andere spielt im Berufsfeld eine wichtige Rolle. Darüber hinaus hat auch das Abgeben von Aufgaben und Verantwortlichkeiten eine positive Auswirkung auf unser Selbstwirksamkeitserlebnis. Daher ist Selbstwirksamkeit im Job ein Thema, das gerade für Führungskräfte relevant ist. Schafft man es, das eigene Team zu empowern, sorgt man automatisch für ein angenehmeres Arbeitsumfeld und kann daher das Team zu mehr Erfolg bringen.


Selbstwirksamkeit fördern: 4 kleine Übungen
Auch abseits des Jobs können wir alle unsere Selbstwirksamkeit ein wenig stärken. Wichtig ist es, im Hinterkopf zu haben, dass Selbstwirksamkeit erlebt wird – das ganze Leben lang und seit unserer Kindheit. Das Gute daran ist, dass wir unsere Selbstwirksamkeit lernen können. Gleichzeitig bedeutet das: Wir können nicht von heute auf morgen lernen, selbstwirksamer zu sein. Mit ein paar Übungen gelingt es, ein paar neue Perspektiven einzunehmen. Dafür hilft es, einen Blick auf die vier Grundlagen der Selbstwirksamkeit nach Albert Bandura zu werfen:
- eigene Erfahrungen (mastery experiences)
- stellvertretende Erfahrungen (social modeling)
- verbale Unterstützung (social persuasion)
- gefühlsmäßige Erregung (psychological responses)
1. Übung für eigene Erfahrungen
Leichter gesagt als getan: Die beste Übung ist, eine Aufgabe erfolgreich durchzuführen. Erfolgserlebnisse zeigen dir, dass du schaffen kannst, was du dir vornimmst. Was dir dabei helfen kann: Führe deinen Erfolg auf deine Fähigkeiten zurück und nicht auf äußere Umstände. Wenn du beispielsweise deine Küche blitzblank putzt, dann, weil DU es machst und nicht wegen des hochwirksamen Reinigungsmittels.
2. Übung für stellvertretende Erfahrungen
Vielleicht kennst du das ja: Manchmal inspirieren uns die Menschen aus unserem Umfeld am meisten. Das liegt daran, dass wir von den Menschen, die uns ähneln, auch in Sachen Selbstwirksamkeit viel lernen können. Sehen wir, dass jemand anderes etwas schafft, stärkt das auch den Glauben an uns selbst. Beobachte also mal Menschen dabei, die dir ähnlich sind, wie sie an Aufgaben herangehen.
3. Übung für verbale Unterstützung
Bandura ist der Meinung, dass wir andere Menschen von ihren eigenen Fähigkeiten überzeugen können. Selbstzweifel werden überwunden, indem wir von anderen Menschen verbal ermutigt werden. Bist du also mal in der Situation, in der andere dir sagen, was du kannst – und das wünschen wir dir – dann spitz die Ohren und nimm den Zuspruch von außen an.
4. Übung für gefühlsmäßige Erregung
Es ist sicher nichts Neues für dich, dass emotionale Reaktionen eine wichtige Rolle spielen – auch auf die Einschätzung unserer Selbstwirksamkeit. Bandura zufolge komme es nicht unbedingt auf die Intensität unserer Gefühle an, sondern darauf, wie wir sie wahrnehmen und interpretieren. Wenn du in einer Situation beispielsweise denkst „Ich bin nervös und habe Angst“ könnte es dir helfen zu sagen „Ich bin zwar angespannt, aber dadurch besonders wachsam“.
Die Grenzen der Selbstwirksamkeit
Das mag nun alles inspirierend klingen – ist es auch. Was man dennoch bei dem Konzept der Selbstwirksamkeit bedenken sollte, ist, dass es sich dabei um kein moralisches Konstrukt handelt. Das Konzept ist in erster Linie wertungsfrei. So zeigt die Arbeit von Therapeut*innen, dass man auch durch negatives Verhalten – zum Beispiel durch Gewalt – Selbstwirksamkeit erfahren kann.
Und so ermutigend das Konzept Selbstwirksamkeit im Alltag sein kann: Auch in der Psychotherapie findet Selbstwirksamkeit Anwendung. Hier ist wichtig zu bedenken, dass Selbstwirksamkeit keine Methode ist, um psychische Erkrankungen oder Störungen zu heilen. Denn damit wird nur ein kleiner Teil der sehr komplexen menschlichen Seele angesprochen. Gerade im Fall von psychischen Erkrankungen kann ein der Selbstwirksamkeit zugrundeliegender Ausspruch wie „Jeder ist seines Glückes Schmied“ fatal sein. Denn mit Depression oder Ängsten geht in der Regel eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung einher. Das liegt der Krankheit quasi zugrunde und egal, wie viel man tut, kann der Nutzen gering ausfallen.
Darüber hinaus gibt es natürlich auch andere Faktoren, die unsere Selbstwirksamkeit beeinflussen können. Ein Beispiel: schwierige familiäre oder soziale Situationen. Erfahren wir schon in unserer Kindheit weder Unterstützung noch Zuspruch in unseren Kompetenzen, kann sich das auch später im Leben sehr stark auswirken. In diesem Fall helfen ein paar Übungen und positive Glaubenssätze vermutlich eher weniger. Eine entsprechende Therapie kann dann die bessere Lösung sein. So oder so: Das Konzept der Selbstwirksamkeit ist spannend und lässt sich aufs gesamte Leben übertragen – vom Privaten bis zum Job.
Wenn du oder jemand, den du kennst, mit Krankheiten wie Depressionen zu kämpfen hat, dann findest du Unterstützung bei der Deutschen Depressionshilfe oder telefonisch beim Info-Telefon Depression unter 0800 – 33 44 533. Schau auch gerne, welche anderen Anlaufstellen es gibt. |