Ein Interview mit Barbara Blenski
Barbara Blenski ist anerkannte Expertin für systemische Innovation. Mit ihrer Firma INNOSHOT Innovationsberatung legt sie den Fokus auf die systemische Innovations- und Organisationsentwicklung. Neben ihrer Tätigkeit als Beraterin, Coach, Trainerin, Moderatorin und Keynote-Speakerin gibt sie ihr Wissen im Rahmen von Lehraufträgen an der Hochschule Fresenius in Hamburg an Studierende weiter. Zusätzlich engagiert sie sich in lokalen Politik- und Fachverbänden, um das Thema Innovation und Veränderung auch dort stärker zu platzieren. Für sie ist Innovation ein ganzheitliches System mit dem Menschen im Mittelpunkt. Und genau diese Menschen bringen Ideen zum Fliegen. Mit Barbara sprach Learning Digital über Innovation, Innovations-Ökosysteme und Design Thinking.
Learning Digital: Was ist für dich systemische Innovation?
Barbara: Schaut man sich in einer Organisation den Begriff Innovation an, wird man schnell merken: Innovation ist nicht nur allein die nutzerzentrierte Umsetzung einer Idee, sondern der Prozess dorthin. Es ist die übergeordnete Strategie und natürlich die Innovationsfähigkeit, welche in der Unternehmenskultur verankert ist. Das heißt Innovation ist in einem Unternehmen vielseitig verankert und die Organisation fördert oder verhindert gelingende Innovation. Wir sprechen hier auch von einem Innovations-Ökosystem.
Learning Digital: Du hast gesagt: du bist ein Freund der Zukunft. Was beängstigt dich nicht an dem Thema „Zukunft“ und wie behältst du deinen Optimismus?
Barbara: Ich habe in meinem eigenen Leben oft Wandel erlebt. Umwälzende Einschnitte, denen ich immer hätte nachgeben bzw. mich aufgeben hätte können. Glücklicherweise habe ich schon früh in meinem Leben erfahren dürfen, dass ich immer einen Teil selbst gestalten kann (Lies hierzu auch unseren Artikel Mentale Stärke).
Damals habe ich mit meinen Eltern in der DDR gelebt. Meine Eltern waren Pastoren. Was mich vor allem zu der Zeit tief geprägt hat: mitzuerleben wie wir durch die friedliche Revolution raus aus der Diktatur kamen.
Um aus dem Reagieren herauszukommen, gibt uns die Arbeit mit Zukunftsszenarien einen kleinen Vorsprung. Hierbei können wir mögliche Zukünfte vordenken und können uns so auf sie vorbereiten. In den verschiedenen Science-Fiction Filmen können wir positive wie negative Zukunftsbilder entdecken. Gerade in der aktuellen Zeit sehe ich damit auch eher die positiven Zeichen der Veränderung, wie mehr Kollaboration, Umweltorientierung und Gemeinwohl. Diese sollten aus meiner Sicht stärker unterstützt werden, wohlwissend, dass es immer auch Gegenströmungen gibt.
Insgesamt sehe ich meinen Auftrag darin, mehr Lust auf das Gestalten zu machen, raus aus der Komfortzone zu gehen und gemeinschaftlich das Zukunftsbild positiv zu verändern.
Learning Digital: Wie kam es zur Gründung deines Unternehmens und deine ersten Schritte im Bereich Design Thinking & Co.?
Barbara: Ich könnte dazu jetzt einen inspirierende Gründungsgeschichte erzählen, jedoch ist es eigentlich eine sehr pragmatische Entscheidung gewesen.
Nachdem mein Arbeitgeber im Rahmen einer Umstrukturierung dem Thema „Innovation“ einen anderen Stellenwert zusprach und ich ohne Job dastand, hatte ich es schwer als Mutter von 3 Kindern meine Führungsposition im Bereich Innovation weiter fortzuführen. Kaum ein Unternehmen konnte sich vorstellen, wie dies funktionieren soll – 40 Stunden und mehr. Ich bin froh, dass es heute hier ein Umdenken gibt – dass Kinder und Karriere im Einklang stehen können und unser Arbeitsleben vielseitige Arbeitsmodelle zulässt. Schon damals befasste ich mich mit Themen, die noch nicht sonderlich en vogue waren wie Design Thinking, Kreativität im Business, systemisches Denken. Der Wille, meine Projekte weiter fortzuführen und das Vertrauen meiner bis dahin begleitenden Kunden gab mir Rückenwind, es in der Selbständigkeit zu versuchen. Mit Erfolg – wie ich jetzt sagen kann.
Learning Digital: Was bedeutet für dich ein gutes Innovation-Ökosystem?
Barbara: Ein gutes Innovations-Ökosystem betrachtet Innovation über die gesamte Organisation hinweg. Es etabliert bei allen Mitarbeitern den Gedanken, in all ihrem Tun die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sicher zu stellen und sich dem Gemeinwohl verpflichtet zu fühlen. Die Strukturen, um Innovation zu ermöglichen, sind etabliert. Hier herrscht eine Kultur des Intrapreneurships vor. Die Entwicklungsabteilungen arbeiten an kurz-, mittel- und langfristigen Projekten, sie möchten Lösungen für die Zukunft und für die Menschen finden. Sie nutzen Trends, um den Kern ihrer Produkte immer wieder neu auf die Bedürfnisse der Menschen anzupassen und inspirierende Lösungen zu finden. Innovation wird im Leadership vorgelebt und findet dadurch natürliche Nachahmer. Die Organisation ist dem Wandel positiv gegenüber eingestellt und sieht diesen als stets begleitenden Fakt. Es geht um Resilienz. Das Bestreben des regenerativen Wirtschaftens schwingt dabei immer mit.
Learning Digital: Und wie würdest du daher den Begriff „Innovation“ für dich erklären:
Barbara: Hättest Du mich noch vor ein paar Jahren gefragt, hätte ich geantwortet: „Innovation ist eine Idee, die am Markt erfolgreich eingeführt wurde.“ Über die Jahre hinweg ist für mich der Begriff viel größer geworden. Innovation spielt auf den verschiedenen Ebenen einer Organisation und ist eher das stetige Arbeiten an der vorhin schon benannten Zukunftsfähigkeit, ob am Produkt, im Service, in der Strategie, im Prozess oder in der Kultur.
Learning Digital: Viele reden über New Work – was bedeutet dies für dich als Familienmensch?
Barbara: New Work lebe ich schon seit Jahren, ohne es als solches bezeichnet zu haben. In der eigenen Organisationsstruktur bedeutet das: mein Team besteht aus selbständigen Beratern, mit denen ich kollaborativ Projekte bewerkstellige. Wir haben kein festes Büro, aber Räume, die wir bei Bedarf nutzen können. Wir arbeiten zu 90% digital.
Ganz persönlich betrachtet: Durch meine Entscheidung in die Selbstständigkeit zu gehen, hat mein Tag nun 24 Stunden, in denen ich ganz intuitiv meine Projekte durchdenken und bearbeite. Durch diese flexible Einteilung bin ich viel mehr für die Familie da. Den Fakt, das New Work selbst auch mit einer Ausgeglichenheit im eigenen Sein zu tun hat, muss ich gestehen: daran arbeite ich noch. Es ist für mich eine stetige Balance, meine ganz persönlichen Bedürfnisse tagtäglich von dem letzten Platz der Prioritätenlisten auf einen vorderen zu katapultieren, um für Ausgleich und Inspiration zu sorgen.
Learning Digital: Learning Digital ist eine Weiterbildungsplattform, unter anderem im Bereich Agiles Projektmanagement. Was bedarf es für dich an Inhalten, damit Prozesse umgesetzt werden können, weil es immer noch alte Denkmuster und CIS-Männer-Strukturen gibt?
Barbara: Ohne jetzt ins Klein-klein zu kommen, denn deine Frage birgt eine gewissen Komplexität in sich, möchte ich besonders das iterative Arbeiten in Loops ansprechen. So gewinnen wir Dynamik in der Umsetzung und können Fehler schnell erkennen und anschließend beheben. Gleichzeitig erreichen wir somit eine andere Fehlerkultur.
Learning Digital: Bitte sag uns doch etwas zur Design-Thinking-Methode. Was war für dich der ausschlaggebende Grund, dich hier zu spezialisieren?
Barbara: Neben dem Aspekt, dass die Design Thinking-Methode die angesprochene iterative Arbeitsweise lebt, ist der Fokus auf dem Menschen. In meinem Studium der Innenarchitektur konnte ich nie wirklich nachvollziehen, dass dem Nutzer so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Im Vordergrund stand „das cooles Design“.
Ich sehe das eher so: Um clever Lösungen zu entwickeln, die den Anwender überraschen, liegt die Kunst in der Verknüpfung von User Research und der intensiven Ideenentwicklung. Wenn ich den Design Thinking-Prozess wirklich ernst nehme, werde ich Lösungen entwickeln, die vom Nutzer eine hohe Wertschätzung erfahren.
Und wenn man den Design Thinking-Ansatz noch weiterdenkt, findet er in der Arbeit mit Organisationen noch mehr Möglichkeiten zu wirken. Vom Mindset bildet Design Thinking eine wichtige Komponente in vielen Transformationsprozessen und im New Work. Damit schlagen wir gleich die Brücke zurück wieder zum Innovations-Ökosystem.
Learning Digital: Für gute Ansätze braucht es jedoch Kreativität. Wie behält man diese für solche Prozesse deiner Meinung nach?
Barbara: „Ich bin nicht kreativ!“ Diesen Satz höre ich gerade im Business Kontext häufig. NEIN! Einfach NEIN! Das stimmt nicht. Das Problem liegt darin, wie wir Kreativität definieren. Wenn wir es gleichsetzen, ein Kunstwerk zu erschaffen oder zu zeichnen, ok. Das sind besondere Fähigkeiten, die man hat. Die Kreativität, die wir benötigen und von der wir sprechen, hat viel mehr etwas damit zu tun, die Vielseitigkeit zu feiern.
Spielerisch zu entwickeln, immer in Alternativen denken, flexibel in der Lösungsfindung zu sein. Kinder machen es uns vor und wir können von ihnen im Bereich Wiedererlernen viel abschauen. Fragen stellen – und seien sie noch so verrückt. Unkonventionell denken. Was wäre, wenn wir stärker im „Ja“ leben und positiver denken und Ideen weiterentwickeln. Und bei dem Ganzen vor allem Spaß haben. Dann fließen Ideen von alleine.
Learning Digital: Lass uns im Bereich Design Thinking über Personas sprechen – denn sie sind ausschlaggebend für die Entwicklung. Was wird hier oft falsch „gedacht“ und was könnte man vermeiden?
Barbara: Der Punkt, der mir am meisten Bauchschmerzen bereitet, ist, dass man Personas rein fiktiv erstellt – in der Annahme, eine Person würde auf eine bestimmte Art und Weise handeln. Gehen wir so vor, erhalten wir jedoch Sterotypen und keine Personas.
Personas sind Nutzertypologien. Heißt, um eine Persona zu erstellen, sollte man vorher User Research betrieben haben. Nur so erhalten wir Aufschluss darüber, was die Bedürfnisse unserer Nutzer sind, welches Verhalten sie haben, wodurch sie motiviert sind. Der Anspruch, den Problemraum wirklich zu durchdringen, wird mir zu sehr unterschätzt. Der Aufwand, der im Übrigen auch sehr pragmatisch gehalten werden kann, lohnt sich. Den Schatz, den man heben kann, ist enorm. Nicht geäußerte Bedürfnisse, die – einmal entdeckt – große Vorteile in der Produktentwicklung bringen können, schaffen Vorteile. Genau aus diesen „unmet needs“ können wir wirkliche Innovationen entwickeln.
Learning Digital: Deine Vorträge werden sehr geschätzt. Welche zwei Motivationsimpulse gibst du deinen Teilnehmern gern mit?
Barbara: Erstens: Sei offen über jedes Thema zu arbeiten und scheue ungewöhnliche Problemstellungen nicht. Du lernst so viel über die Welt und immer über dich. Zweitens: Sei mutig und geh mit offenen Herzen deinen individuellen Weg.
Mehr Infos findet ihr hier:
www: https://www.innoshot.com
XING: https://www.xing.com/profile/Barbara_Blenski
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/barbara-blenski-2993444/
SINNpuls_Innovationswalk_meetup: https://www.meetup.com/de-DE/sINNpuls-Meetup-Hamburg/
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