Vor ein paar Jahren – lange, bevor ich über KI und ihre Vorteile nachgedacht hatte – habe ich die HBO-Serie Silicon Valley gesehen und gefeiert. Eine Gruppe Nerds rund um CEO Richard erschaffen mit PiedPiper eine neues Internet. Kurz bevor PiedPiper an den Start gehen soll, stellt Richard etwas Schockierendes fest: Die künstliche Intelligenz, die er integriert hat, droht zur Gefahr für die ganze Welt zu werden. Denn der KI gelingt es in kürzester Zeit, die scheinbar sichersten Codes zu knacken. Der einzige Ausweg, um die Welt zu retten: PiedPiper muss scheitern.
Eine menschengemachte Kritik.
Klar, Silicon Valley ist Fiktion und Satire … Aber manchmal frage ich mich, ob da nicht doch was dran sein könnte. Denn was passiert, wenn die künstliche Intelligenz intelligenter wird als die Menschen, die sie erschaffen haben? Wird die KI vom Vorteil zur Gefahr? Klar: Das ist keine Frage, die man mal eben so Artikel beantworten kann – und dennoch frage ich mich, was am Hype um KI dran ist und ob es neben Vorteilen nicht doch ein paar Nachteile geben könnte.
KI in der Realität
Nochmal kurz von vorne: KI, kurz für „Künstliche Intelligenz“, ist ein Vorgehen, bei dem Computersysteme oder Maschinen Aufgaben erfüllen, die eigentlich menschliche Intelligenz benötigen. In der KI werden Technologien genutzt, durch die Computer oder Algorithmen lernen, verstehen, schlussfolgern und Vorhersagen treffen können. Die KI soll dabei Aufgaben übernehmen wie die Erkennung von Sprache oder Mustern, Entscheidungsfindung oder Problemlösung.
Schon seit Jahren wird KI angewandt und hat dabei einige Vorteile, zum Beispiel in der Medizin. Dort kann KI medizinisches Personal dabei unterstützen, mögliche Probleme oder Erkrankungen zu erkennen. Dafür nutzt die KI große Datenmengen und versucht Muster zu erkennen, die auf Krankheiten hindeuten können. Total hilfreich! Systeme wie ChatGPT, für die man nur einen Browser und Account braucht, sehen da plötzlich anders aus – sie sind KI für „normale Leute“, KI zum Anfassen und Erleben. Und sie erobern das Web und die sozialen Medien im Sturm.
Die verlockende KI-Selfie-App
Erinnert sich noch wer an die KI-App Lensa? Damit werden hochgeladenen Selfies in kunstvolle, virtuelle Avatare umgewandelt. Der Hype war riesig und auch mir entfuhr beim Scrollen hin und wieder ein „Whoa!“ oder ein „Krass, so was geht?!“
Der Haken an der Sache: Niemand prüft, ob man wirklich nur eigene Selfies hochlädt oder fremde Bilder – Datenschutz who? Don’t know her, mag sich Lensa da denken. Egal, wer wessen Fotos hochlädt: Man gewährt der Company Zugriff auf die Gesichtsdaten und erlaubt der App, das Bild zum KI-Training zu nutzen (und natürlich alles andere).
Übrigens nimmt die KI Urheberrecht auch nicht so ernst: Lensa wurde für den Lernprozess mit sagenhaften 2,3 Milliarden Bildern trainiert – darunter auch mit Werken echter Künstler*innen, deren Stil Lensa sich zu eigen macht. Lensa kreiert quasi keine neuen Werke, sondern kopiert sie lediglich und legt das eigene Selfie drüber. Der Aufschrei in den sozialen Medien war groß. Manche Kunstschaffenden sprechen sogar von „Diebstahl“.
Plus: Gerade bei weiblich gelesenen Nutzer*innen ist mir aufgefallen, wie sehr diese durch Lensa sexualisiert wurden. Und mehrgewichtigen Personen retuschiert Lensa einfach mal die Kurven und Kilos weg. Haben wir aus #metoo und #bodypositivity nichts gelernt? Zumindest die KI nicht.
Dear fat friends,
— Yasemin Anders • she/they (@Yasemin_Writes) December 4, 2022
FYI Lensa can’t process fat people. Your avatars will be slimmed down. 💀
It looks like shit.
Save your the money and your mental energy ❤️
ChatGPT: Echter Hype, fake News
Werfen wir mal einen Blick auf den nächsten KI-Hype: ChatGPT. Das ist ein auf KI basierender Chat-Bot, mit dem jede*r mit einem Account via Texteingabe auf dem Computer kommunizieren kann. Dabei lernt ChatGPT aus der Unterhaltung. ChatGPT kann unter anderem Fragen beantworten, Nachrichten, Artikel oder sogar Gedichte schreiben oder Programmiercodes auf Fehler prüfen. Und ich muss sagen: Das macht extrem viel Spaß!
Die KI wird mit zig Texten aus dem Web, Foren, Social Media, Büchern und Zeitungsartikeln trainiert. Durch einen Filter sollen falsche oder schädliche Inhalte vermieden werden. Und trotzdem: Nicht alles, was ChatGPT sagt, stimmt. Je komplexer die Themen sind, umso größer die Gefahr für Fehlinformationen. Das gilt auch für aktuelle Sachverhalte: Befragt man ChatGPT beispielsweise zum aktuellen Kriegsgeschehen in der Ukraine – ich hab’s ausprobiert –, bekommt man ein paar allgemeine Infos zum Russland-Ukraine-Konflikt – vom Angriffskrieg Russlands im Februar 2022 ist jedoch keine Rede. Es gibt den aktuellen Krieg einfach nicht. Hach, wie schön, wenn das stimmen würde.
Die KI & die Ethik
Und da gibt’s noch was: In den Millionen Texten, mit denen ChatGPT trainiert wird, kommen natürlich und leider auch rassistische, sexistische und anderweitig menschenverachtende Inhalte vor. Damit ChatGPT solche Äußerungen vermeidet, wurden Menschen dafür eingesetzt, entsprechende Inhalte zu kennzeichnen. Recherchen des US-Magazin Time zufolge wird diese Arbeit von kenianischen Angestellten erledigt, die pro Schicht zwischen 150 und 250 Passagen auswerten müssen – und das für gerade mal 1,32 – 2 US-Doller pro Stunde. Das ist sowohl für die Verhältnisse im globalen Norden als auch für kenianische Verhältnisse extrem niedrig. Und was mindestens genauso schlimm ist: Diese Arbeit kann Menschen traumatisieren, sodass sie psychologische Betreuung brauchen.
KI hat Vorteile, aber auch Grenzen
Ob man mit all dem Wissen zu Vorteilen und Nachteilen KIs wie ChatGPT oder Lensa nutzen möchte, soll natürlich jede*r für sich selbst entscheiden. Mir ist wichtig, nicht nur den Hype zu sehen – sondern alle Facetten, die der digitale Wandel und KI Trends mit sich bringen. Für mich bleibt ChatGPT eine private Spielerei, ein digitaler Gesprächs- und Ideenpartner, ein kleiner Durchbruch für die Schnittstelle Mensch/Internet – das Denken übernehme ich weiterhin selbst. Trotzdem bin ich gespannt, was die Zukunft noch alles ermöglicht – und was ChatGPT mir als Alternative für Silicon Valley vorschlägt1.
Anmerkung: Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit den Bereichen KI und ihre Vor-, Nachteile und deren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Darüber hinaus thematisiert dieser Text das Thema KI aus der kritischen Sicht der Autorin und ist nicht als komplette Abneigung gegen diese Technologie zu verstehen. Da sie vom Schreiben lebt, hat sie besonders große Angst, eines Tages durch eine KI ersetzt zu werden. Bitte hab ein wenig Nachsicht. Danke!
1 Spoiler: Ich habe ChatGPT natürlich nicht gefragt. Weil ich weiß, dass es keine bessere Tech-Sitcom gibt.↑
verfasst von Herdis Monje
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